von: Blutschwestern | veröffentlicht am: 27.11.2022
Erst kürzlich veröffentlichten wir auf unserem Instagramkanal ein Reel, indem man Janne dabei zusehen konnte, wie sie ihre Menstruationsunterwäsche auswusch, das Blutwasser auffing und damit ihre Pflanzen wässerte. Etwas naiv wollten wir damit einfach nur darauf aufmerksam machen, dass da nicht Monat für Monat haut- und lungenverätzendes Gift aus uns strömt, sondern einfach nur Blut und andere ziemlich nährstoffreiche Bestandteile. Schaut man in die Kommentarspalten, wird schnell klar, dass wir bei manchen das (Menstruations-) Blut damit ganz schön in Wallungen gebracht hatten. Scham, Ekel, Unverständnis bis hin zu Wut - all das schwappte uns entgegen (natürlich bekamen wir auch ganz viel Liebe). Aber warum ist das so? Und was steckt dahinter? Und vor allem: Wie können wir das für uns und die folgenden Generationen ändern?
(Ein Auszug der Kommentarspalte unseres Reels auf Instagram)
"Wir bluten. Get over it.”
Um es mit Franka Freis Worten (Autorin eines unserer Lieblingsbücher “Periode ist politisch”) zu sagen: “Wir bluten, get over it”. Knapp die Hälfte der Weltbevölkerung blutet etwa einmal im Monat aus ihrer Gebärmutter und verliert damit im Durchschnitt 30-80 ml Blut und das etwa vom 12. bis 50. Lebensjahr. Das sind ungefähr 450 Menstruationszyklen und ca. 2500 Tage unseres Lebens, an denen wir bluten!
Aber wenn es doch "nur” das Bluten wäre...
Aber leider bluten wir nicht einfach “nur”. Für viele Menschen mit Zyklus bedeutet die Menstruation vor allem eines: Ein Leben voller Scham, Ausgrenzung und Diskriminierung (abgesehen von den starken Schmerzen und Beschwerden, an denen viele Menstruierende leiden).
Periodshaming - ein Goodie, den’s kostenfrei zur Gebärmutter dazu gibt. Psychische, ökonomische, ökologische und soziale Benachteiligung inklusive.
Und ganz bewusst sprechen wir an dieser Stelle von Periodshaming und nicht Periodenscham/Menstruationsscham. Auch wenn Schamgefühle in Bezug auf die Periode zwar leider sehr verbreitet sind, so sind sie keine Pille, die wir anstandslos schlucken müssen. Periodshaming ist etwas, das uns von außen angetan wird. Die Scham wird uns durch Erziehung und Sozialisation übergestülpt und wohnt nicht einfach so per se in uns. Einfach ein weiterer Punkt auf der langen Liste der internalisierten Misogynie (verinnerlichter Frauenhass).
Eine repräsentative Umfrage der erdbeerwoche von 2017, bei der 1100 Jugendliche befragt wurden in Bezug auf ihre Haltung gegenüber der Menstruation, ergab:
60% der Mädchen stehen ihrer Menstruation negativ gegenüber
70% der Jungen finden das Thema Menstruation unwichtig und peinlich
18% sagten sogar, sie fühlen sich so unwohl mit dem Thema, dass sie nicht mal darüber reden möchten
Was hinter diesen Zahlen steht, ist noch schockierender als das Ergebnis der Umfrage selbst, denn die Folgen, die mit Periodshaming einhergehen, werden nicht umsonst von den Vereinten Nationen als Bedrohung der Menschenrechte bezeichnet, da Menstruationsshaming zusammen mit fehlenden Information über die Menstruation zu Diskriminierung, Gewalt und Gesundheitsproblemen führt.
To be woman, is to be shamed
Solange wir bluten, können wir uns Menstruationsshaming nicht entziehen. Das fängt mit so
scheinbar harmlosen Äußerungen an wie “So zickig wie Du bist, hast Du bestimmt Deine Tage”. Ein gern genommenes stilistisches Mittel, um Frauen, die ihre Meinung sagen, Grenzen setzen oder für sich einstehen, zu silencen. Und den Tampon der heimlich im Mission-Impossible-Style unter den Schultischen wandert, kennt wahrscheinlich auch jede.
Auszüge aus unseren Kommentarspalten zeigen, weshalb Periodshaming zu einer großen psychischen Belastung für die Betroffenen werden kann.
Ein paar Beispiele:
“Muss den würg Reflex unterdrücken 😮”
“Was stimmt nicht mit euch? Als nächstes scheiß ich in meine Topfpflanzen, weils geiler Dünger ist und spiel dann bisschen damit. 😮”
“Ihr seid doch übergeschnappt”
“Oh mein Gott was für kranke scheiße man 😂.”
“Personen die das machen sind einfach nur ekelhaft, mit solchen Menschen macht auch diskutieren keinen Sinn mehr , die leben an der Realität vorbei , vielleicht sollten sie aber in die Politik gehen , passen da zur Zeit gut rein.”
Wie schlecht es um das Image des Menstruationsblutes bestellt ist, wird deutlich, durch Vergleiche mit Fäkalien, Spucke, Pickeln oder Fingernägeln. Doch warum genau hinken diese Vergleiche nicht nur, sondern sind sogar absoluter Käse?
Menstruationsblut - das Aschenputtel-Gewebe
Bereits 2008 entdeckte die australische Forscherin Caroline Gargett vom Monash Medical
Center die Möglichkeiten der Verwendung von Menstruationsblut als Arzneimittel. Sie fand im Menstruationsblut, das neben Blut auch noch Gebärmutterschleimhaut, Zervixschleim und Vaginalsekret enthält, zwei verschiedene Arten von Stammzellen - und zwar nicht irgendwelchen, sondern ausgesprochen teilungsfreudige Stammzellen.
Bereits nach kurzer Zeit konnten aus diesen Stammzellen ganze 9 verschiedene Gewebe- und Zellarten gezüchtet werden: Knochen-, Herz-, Fett-, Muskel-, Nerven-, Leber-, Lungenschleimhaut, Bauchspeicheldrüsengewebe und innere Blutgefäßwände. Schnell sprangen neben Australien auch noch die USA und Japan mit auf den Forschungszug auf. So konnten Tests an Menschen eine ausgesprochen große Verträglichkeit der Stammzellen des Menstruationsblutes zeigen. Erklärt wird dies damit, dass die Zellen vom Immunsystem nicht als fremd erkannt werden. Wäre das anders, würde auch das ungeborene Kind im Mutterleib reagieren. Einziger Nachteil ist die gleichzeitige ziemliche Fülle an körpereigenen Bakterien. Nichtsdestotrotz scheint die Forschungslage zum Thema MenSC (Menstrual Stem Cells) ausgesprochen vielversprechend zu sein.
Eine japanische Studie von 2019, in der die Bestandteile des Menstruationsblutes untersucht wurde, identifizierte zudem ganze 385 einzigartige Proteine, die einzig und alleine in der Gebärmutterschleimhaut zu finden sind. Kaum eine zweite Gewebeart ist so einzigartig und baut sich in derart rasantem Tempo auf und wieder ab. Zudem fanden die Forscher*innen heraus, dass die Gesundheit des Endometriums ein entscheidender Faktor des Gesundheitszustandes von Menschen mit Uterus zu sein scheint und sich daraus möglicherweise auch Endometriosediagnosen ableiten lassen. Wie bahnbrechend das wäre, kann wahrscheinlich jede Person mit Endometriose, die zur Diagnosestellung bereits eine Bauchspiegelung hinter sich hat, bezeugen.
2019 hat ein Team die verschiedenen Bereiche zusammengestellt, in denen der Einsatz von MenSC erforscht wird und bereits vielversprechende Ergebnisse liefern konnte:
Leberfibrose (eine Lebererkrankung, bei der eine Transplantation die derzeit wirksamste Strategie ist) und Leberversagen, wo sie MenSC möglicherweise helfen, die Leberzellen zu regenerieren
Diabetes mellitus Typ 1
Schlaganfälle (bleibende Nervenschäden können gemildert oder sogar die Nervenfunktion wiederhergestellt werden)
Duchenne-Myopathie (einer tödlichen Krankheit, die durch Muskelschwund gekennzeichnet ist), indem sie die Muskeln wiederherstellen
Kritische Extremitätenischämie (eine Gefäßerkrankung, bei der das Blut nicht mehr zirkuliert und die Gliedmaßen unter Sauerstoffmangel leiden, was zu einer Amputation führen kann)
Eierstockkrebs, wo MenSC Verletzungen der Eierstöcke reparieren, die Eierstockfunktion verbessern und die Regeneration der Eierstöcke anregen. Möglicherweise haben sie sogar tumorhemmende Eigenschaften
Herzinfarkt, wo MenSC die geschädigte Herzfunktion wiederherstellen
Asherman-Syndrom (Verwachsungen in der Gebärmutter, die u. a. zu Unfruchtbarkeit, unregelmäßigen oder ausbleibenden Monatsblutungen oder wiederholten Fehlgeburten führen)
Alzheimer-Krankheit, wo MenSC die Lernfähigkeit und das Gedächtnis verbessern könnten
Akute Lungenverletzungen, wo sie die Reparatur der verletzten Lunge fördern und vor Zellapoptose (= Selbstmord der Zellen) schützen sollen
Hautverletzungen, indem sie die Wundheilung fördern und zur Hautregeneration beitragen
Endometriose, ermöglichen eine Früherkennung
Menstruationsblut vs. Sperma
Ein anderer Vergleich, der unserer Meinung nach aber durchaus mal gedanklich durchgespielt werden darf, ist der von Menstruationsblut und Sperma. Beides sind Ausscheidungen der Sexualorgane, die direkt oder indirekt an der Entstehung von neuem Leben beteiligt sind. Während das eine aber ganz offen gängiger Gegenstand und Höhepunkt vieler sexueller Handlungen in Pornos ist, wird das andere verteufelt wie Satan höchstpersönlich. Und während auch zahlreiche Frauen ihre ganz eigene Körperflüssigkeit kaum ertragen können, haben wir noch nie von einem Mann gehört, der sich für sein Sperma schämt und sich wünscht, es bliebe ihm erspart, mit dem Orgasmus Spunken aus sich heraus zu feuern oder gar den Körper der*des Partner*in damit zu treffen.
Und dann schmiss Gott Adam und Eva aus dem Paradies
Auch wenn das nicht ganz der Ursprung ist, so spielt das Eva-Apfel-Schlangen-Dilemma bis heute eine ziemlich entscheidende Rolle in der Entstehung von Periodshaming.
Das Wort Tabu, was auch heute noch viel im Zusammenhang mit der Menstruation verwendet wird stammt ursprünglich von dem polynesischen Wort “tupua”, was mit “heilig, magisch” übersetzt werden kann, aber auch mit “unheimlich” und sich dabei vor allem auf Menstruationsblut bezieht.
Schon die frühesten Kulturen der Menschheit glaubten an die geheimnisvolle Magie, die dem Blut - vor allem dem Blut des Schoßraums innewohnt. Sie waren fasziniert, dass Frauen dieses Blut manchmal von sich gaben in scheinbarer Harmonie mit dem Mond und es manchmal in sich behielten, um ein Kind zu “gerinnen”. Gerade Männer hatten Ehrfurcht vor dem Blut und sahen es als Essenz des Lebens, das scheinbar ohne Schmerz vergossen werden konnte - etwas, das ihnen vollkommen fremd war.
How it started, how it’s going
Gerda Lerner, Autorin des Buches “Die Entstehung des Patriarchats" und Pionierin auf dem Gebiet der Frauenforschung rekonstruierte die Geschichte der Frauen, denn ohne genaues Wissen der Frauengeschichte sei die Emanzipation der Frau und damit letztlich auch die Abschaffung von Misogynie schlicht nicht möglich. Tja und Periodshaming ist nunmal ein elementarer Bestandteil von Frauenhass.
Die Wiege des Patriarchats liegt demnach in Mesopotamien, dem heutigen Irak. Das Aufstreben und der Aufbau männlicher Macht erstreckte sich über einen Zeitraum von sage und schreibe 2500 Jahren (ca. 3100-600 v. Chr.).
Als ersten Shitmove der machtbesessenen vorzeitlichen Patriarchen beschreibt Lerner “die Aneignung der sexuellen und reproduktiven Kapazitäten der Frauen durch die Männer”. Anders gesagt: Durch Vergewaltigung und die gewaltsame Entführung von Frauen wurde zum Einen Kontrolle ausgeübt über ihre Sexualität, aber auch die biologische Vaterschaft der Nachkommen sichergestellt.
Frauenmangel in den Stämmen führte dazu, dass Frauen getauscht und entführt und gewaltvoll geschwängert wurden, um das Fortbestehen des eigenen Volkes zu sichern.
Die Frau wurde zum Objekt degradiert, als Gebärmaschine missbraucht und enteignet. Jeglicher Besitz gehörte von nun an den Männern.
Und damit stand das Fundament des Patriarchats. Frauen als erste Sklav*innen der Menschheitsgeschichte.
Etwa 1760 v. Chr. wurde die sexuelle Ausbeutung der Frau zum Gesetz. Der Rechtskodex des Hammurabi verpflichtete den Ehemann von nun an zum Unterhalt seiner Frau. Klingt im ersten Moment unfair gegenüber dem Mann, war es aber nicht. Mit Hilfe dieser Rechtsprechung wurde die ökonomische Abhängigkeit der Frau vom Mann juristisch festgeschrieben - etwas, das auch in unserer heutigen Zeit oftmals Gang und Gäbe ist.
Die Ungleichheit der Frau war zum Gesetz geworden. Was nun noch fehlte, war ein religiöser Überbau: Die zahlreichen weiblichen Göttinnen wurden entthront und stattdessen erhoben sich männliche Monarchen selbst zu Gottheiten. Das Finale war aber die Entstehung der monotheistischen Religionen des Juden- und Christentums. Nun war nämlich endgültig Feierabend mit weiblicher Göttlichkeit.
Im 1. Buch Mose werden Schöpferkraft und Fruchtbarkeit - vormals Attribute, die typischerweise weiblichen Gottheiten zugeschrieben wurden - einem allmächtigen Gott zugeschrieben. Und auch wenn die 10 Gebote gute Jud*innen und Christ*innen dazu anhalten, sich kein Bild von Gott zu machen, so ist das Bild vom weißen Opa mit Rauschebart doch recht omnipräsent.
Mit der biblischen Schöpfungsgeschichte wird weibliche Sexualität endgültig zur Sünde und zum Ursprung allen Übels. Der Apfel als verbotene Frucht, in den Eva, von der Schlange verführt, beißt, kann interpretiert werden als Moment ihrer Menarche, der ersten Blutung im Leben einer Frau. Die Schlange steht wiederum sinnbildlich für das Erwachen ihrer weiblichen Urkraft. Wir sehen also: Menstruationsblut und weibliche Lust und Kraft kommen nicht so gut weg.
Wollten Frauen ein Stückchen Anerkennung erhalten und Zugang zur Gesellschaft, so ging dies nur über eine gewissenhafte Ausübung der Rolle als Mutter.
Und plötzlich war die Unterdrückung der Frau gottgegeben
Das Ziel war also erreicht: Die Unterordnung der Frau wurde als natürlich und gottgegeben festgeschrieben.
Systematische Unterdrückung und Manipulation über Jahrtausende haben bewirkt, dass Frauen auch heute noch häufig ein (unterbewusstes) von Minderwertigkeit geprägtes Selbstverständnis haben und stark auf männliche Wertschätzung und Anerkennung angewiesen sind. Eine Absicherung von innen quasi.
Das Patriarchat war also geboren. Aber so wie Kinder Nahrung zum Wachsen und Gedeihen brauchen, braucht auch jede Form der Unterdrückung eine gute Geschichte. Eva und die Erbsünde, die sie über alle Frauen brachte, war bereits ein guter Anfang, aber noch längst nicht genug.
Das Gesetzbuch des Manu, eine bedeutende hinduistische Schrift, schreibt:
“Die Weisheit, Kraft und Vitalität eines Mannes gehen vollkommen zugrunde, wenn er sich einer Frau während der Menstruation nähert. Wenn er sie hingegen in diesem Zustand meidet, werden seine Weisheit, Kraft und Vitalität zunehmen” (Buch des Manu, Kapitel IV, 41-42).
Wir sehen also: Die Menstruation ist auf einmal nicht mehr nur etwas, das den Frauen Leid bringt, sondern auch noch den armen Männern.
Im Koran wird die Menstruation teilweise als Plage bezeichnet und es heißt:
“haltet euch [Männer] von den Frauen während der Menstruation fern und nähert euch ihnen nicht, bis sie wieder rein sind” (Koran, Sure 2, Vers 222).
Die jüdisch/christlich abendländischen Glaubensrichtungen schreiben im 3. Buch Mose:
“Wenn eine Frau Ausfluss hat und zwar den Blutfluss ihres Fleisches, so soll sie sieben Tage lang in ihrer Unreinheit verbleiben. Wer sie berührt, ist unrein bis zum Abend. Alles, worauf sie sich in diesem Zustand legt, ist unrein: alles, worauf sie sich setzt ,ist unrein” (Die Bibel, 3. Buch Mose, Kap, 15, Vers 19ff.).
Die Frau war erst wieder rein, wenn zwei junge Tauben geopfert wurden.
Ok, unrein, eklig, schadet den Männern und überhaupt allem. Und unschuldige Tauben müssen auch noch sterben. Zeitgeist erkannt und die Gottesfürchtigkeit der Menschen geschickt ausgenutzt. Well played, patriarchy!
Aberglauben und zahlreiche Mythen wurden gezielt eingesetzt, um das Bild der unreinen und minderwertigen Frau zu zeichnen und Misstrauen und Tabuisierung zu schüren.
Für die Frauen hatte dies darüber hinaus zur Folge, dass sie zeitweise vom gesellschaftlichen Leben, religiösen Handlungen oder alltäglichen Tätigkeiten ausgeschlossen wurden (nicht in die Moschee oder den Tempel während der Blutung, Sakramente und den Altar nicht anfassen oder sich gar nähern, um diese nicht zu beschmutzen, selbst Priesterin werden… damit fangen wir gar nicht erst an. Macht die katholische Kirche aus diesem Grund übrigens bis heute noch nicht). Das Alte Testament beschreibt sogar Periodensex als gleichwertig schlimm mit Ehebruch, Inzest oder Sex mit Tieren.
Fakt ist: Zykluswissen schützt
Viele dieser Mythen und Tabus halten sich bis heute, obwohl sie zugegebenermaßen aufgrund der Wissenschaftlichkeit unserer Zeit mehr und mehr aussterben. Dennoch hielt sich beispielsweise bis in die 60er/70er Jahre der Irrglaube eines “Menstruationstoxins”. Nicht nur eklig und unrein, sondern giftig! Puh, ein hartes Stück Arbeit, da den eigenen weiblichen Körper auch noch ein Stück zu mögen. Auch bestimmte Kommentare unter besagtem Instagram Reel konnten eindrucksvoll zeigen, dass Überbleibsel dieser Fehlinformation noch immer in den Köpfen mancher zu finden sind.
Zusammen mit mangelnder Bildung und fehlenden Informationen zur Menstruation und dem Zyklus wird das Periodshaming so zum Einen am Leben gehalten (wenn nicht darüber gesprochen wird, bleibt es einfach tabuisiert und sorgt so für den Fortbestand von Aberglaube und Mythen). Zum anderen begünstigt dies aber auch, dass viele Frauen ziemlich im Dunkeln tappen in Bezug auf ihren eigenen weiblichen Körper und wenig bis nichts wissen über den Zyklus und die Menstruation.
So denkt etwa die Hälfte der Mädchen im Iran, dass ihre Periode eine Krankheit ist. Ebenfalls etwa die Hälfte der jungen Frauen in Afghanistan und sogar ganze 82% in Malawi wussten bis zum Einsetzen der Blutung nicht mal, dass es die Periode gibt. Den Schock, die Angst und die Sorge mag man sich kaum ausmalen.
Aber auch wenn hierzulande in Schule und vielen Haushalten zumindest insofern aufgeklärt wird, dass die Mädchen grob wissen, was sie erwartet, was in ihrem Körper passiert und was für Menstruationsprodukte sie in dem Moment nehmen können, so ist auch bei uns das Zykluswissen recht oberflächlich.
Was aber Fakt ist, ist, dass Zykluswissen, bzw. Wissen über den eigenen Zyklus schützt. Wenn ich weiß, was normal ist, weiß ich auch, wann etwas nicht normal ist, z.B. in Hinblick auf starke Schmerzen oder extreme Blutungen. Noch immer denkt die Mehrheit der Menschen mit Zyklus, dass es dazu gehört, massive Menstruationsschmerzen Zyklus für Zyklus hinzunehmen und so oftmals zu einem deutlich späteren Zeitpunkt Hilfe und Intervention zu erfahren, als es ihnen zugestanden hätte. Aus der Menge, der Farbe und der Beschaffenheit des Menstruationsblutes, sowie dem Zeitpunkt und der Länge der Blutung lässt sich bereits unfassbar viel über den (frauen-)gesundheitlichen Zustand in Erfahrung bringen. Jede Menstruation ist somit ein monatlicher Gesundheitscheck, den man mithilfe von Zykluswissen, bzw. viel mehr Zykluskompetenz verstehen und nutzen kann. Nur ist dafür natürlich die Grundvoraussetzung, dass Menstruierende von früh an Zugang zu genau diesem Wissen haben.
Wir haben einen neuen Todesstern: die Medien
Auch wenn Aberglaube und Mythen vor allem in Ländern des globalen Nordens nicht mehr so sehr an der Tagesordnung sind, so gibt es eine neue und nicht weniger wirkungsvolle dunkle Macht: die Medien.
Medien sind ein extrem wichtiger Teil unserer Sozialisation. Sie prägen unseren Alltag und sind so ein großer Bestandteil unserer außerschulischen Bildung. Schaut man sich nun aber an, wie die Menstruation in Filmen, Serien und der Werbung dargestellt wird und wie darüber gesprochen wird, so möchten wir wirklich nur allzu gerne die Hände über den Köpfen zusammenschlagen.
Prinzipiell muss man sagen, dass die Menstruation nur sehr wenig Erwähnung findet. Und wenn dann natürlich nur, um wieder mal Aussagen à la “die hat wohl ihre Tage” zu reproduzieren oder starke Schmerzen zu normalisieren.
Werbespots suggerieren vor allem eins: Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass jemand weiß, dass da gerade Blut aus uns fließt.
Ein großer und namhafter Tamponhersteller warb in den 90ern mit folgenden Worten:
“Dieses kleine Stück Watte hat wahrscheinlich mehr für die Freiheit der Frau getan, als jedes andere Produkt. Ein Tampon ist nicht nur sicher. Er macht sicher. [...] Man sieht nichts, man riecht nichts und außen bleibt alles angenehm sauber. [...] O.b. Damit die Regel sauber und diskret abläuft.”
32 Sekunden Werbespot und so viel Periodshaming, dass man schreien möchte. Der Tampon ist nämlich “innen” (Vagina Vagina Vagina) und ist nicht nur außen vor (Vulva Vulva Vulva). Und niemals vergessen: Sicherheit ist alles. Wehe, da geht auch nur ein Tropfen vorbei. DISKRETION, OK?! Und jetzt rein mit dem Wattekorken und dann Ruhe bitte. Ich fühl mich schon ganz frei und selbstbewusst. Ich weiß gar nicht wohin mit all den Möglichkeiten.
Und ja, die 90er liegen bereits ein paar Jahre zurück. Nichtsdestotrotz ist dieses Sicherheitsding immer noch übermächtig in der Werbung und Menstruationsblut natürlich blau und rein, sauber und ästhetisch.
Blut aus Bauch- und Kopfwunden im Fernsehen: ja, Blut am Tampon: Iiih, bloß nicht!
Die Folgen von Periodshaming
Nicht nur, dass Periodshaming einen Mangel an Wissen begünstigt, damit ein gesundheitliches
Risiko darstellt und eine immense psychische und emotionale Belastung ist, nein, es führt auch dazu, dass Menstruierende einer größeren Gefahr ausgesetzt sind, Opfer sexualisierter Gewalt zu werden.
Von Anfang an als weiblich gelesene Person damit konfrontiert zu sein, dass andere Menschen und Instanzen einem erzählen, wie man mit den Körperflüssigkeiten des Intimbereichs umzugehen hat und wie man generell dem Menstruationszyklus gegenüber eingestellt zu sein hat, ist ein massiver Eingriff in die persönliche und sexuelle Entwicklung und Entfaltung. Dies kann unter anderem zu einer geringeren sexuellen Selbstbestimmung führen bzw. zu einem geringen Selbstwert im Allgemeinen. Bin ich mir selbst nicht allzu viel wert, sondern priorisiere immer die (unter anderem sexuellen) Bedürfnisse anderer, so fällt es mir auch deutlich schwerer Grenzen zu setzen oder auch nur die Worte zu finden, meine Bedürfnisse zu kommunizieren. Und das wiederum kann massiv ausgenutzt werden.
Logischerweise verstärkt dies auch das Denken und die Übernahme ins Selbstbild, dass Frauen und Mädchen weniger wert sind und ihre Meinung weniger zählt.
Scham, fehlende Sicherheit beim Klobesuch und fehlender Zugang zu Menstruationsartikeln führen zudem dazu, dass Mädchen und junge Frauen aus Ländern, die stark von Periodenarmut betroffen sind, während der Zeit ihrer Menstruation nicht zur Schule gehen und so monatlich etwa eine ganze Woche Lernstoff verpassen.
Die eingeschränkte soziale Teilhabe und das Thema Rückzug bzw. Ausschluss von bestimmten Tätigkeiten hatten wir bereits weiter oben.
Nicht zu vergessen ist auch, dass Periodshaming und Periodentabuisierung auch die Industrie so stark infiltriert hat, dass, obwohl wie sonst bei jedem Produkt auf dem Markt üblich und verpflichtend, es bei Tampons und Binden keine Deklarationspflicht gibt. Die Tabuisierung (oder wie o.b es nennt: “Diskretion”) geht so weit, dass es wirklich keine gesetzliche Regelung gibt, die Inhaltsstoffe in den Produkten offen darzulegen. Bleichmittel, Weichmacher oder Formaldehyd konnten so bereits in handelsüblichen Artikeln gefunden werden. Glücklicherweise gibt es aber mittlerweile auch zahlreiche Unternehmen, die dies eigenverantwortlich ändern wollen, wie z.B. The Female Company.
Natürlich sind auch die immensen Kosten, die Menstruierende im Laufe ihres Lebens tragen müssen, ein wichtiger Punkt. In der Argumentation der Politik heißt es, dass die Menstruation kein politisches Thema sei, sondern etwas, was in den Bereich Lifestyle gehöre. Deswegen gäbe es keine Begründung dafür, dass Menstruationsprodukte günstiger oder sogar kostenfrei und frei zugänglich angeboten werden. Anders ausgedrückt: Politik wird von Männern für Männer gemacht und euer Blutdings von “da unten” interessiert uns nicht. Die Aufgabe der Politik ist es aber laut Zukunfts- und Nachhaltigkeitsforscher Hans Holzinger “ein gedeihliches Zusammenleben in komplexen Gesellschaften zu ermöglichen und die Rechte und Pflichten der Bürgerinnen und Bürger zu regeln. Für die BürgerINNEN war es so beispielsweise bis 2020 verpflichtend den Höchststeuersatz von 19% auf alle Menstruationsprodukte zu zahlen. Lifestyleprodukt und so. Glücklicherweise haben zahlreiche Aktvist*innen und laute Stimmen, aber eine steuerliche Senkung auf 7% bewirken können. Dennoch ist die finanzielle Belastung natürlich immer noch immens und auch leider nicht vermeidbar. Auch wenn wiederverwendbare Produkte wie Menstruationsunterwäsche oder Tassen/Discs auf Dauer günstiger sind, so ist zum Einen die deutlich teurere Erstanschaffung für viele Frauen schlicht nicht möglich bzw die Verwendung von Produkten, die in der Vagina platziert werden aufgrund von Traumata oder medizinischen Gründen manchmal keine Option.
Und auch wenn es banal klingt: ein weiterer Grund für Mehrkosten entsteht durch nicht fachgerechte Entsorgung von Tampons und Binden im Klo. Entweder weil es keine Mülleimer neben dem Klo gibt oder aus Unwissenheit oder aus Angst und Scham, irgendjemand könnte das benutzte Produkt sehen.
Unsere Devise: Tabus sind dazu da, sie zu brechen
Zusammenfassend: Nein, Menstruationsblut ist nicht giftig oder eklig - es ist sogar ein verdammtes Wunder! Wenn Du kein Blut sehen kannst, dann ist das was anderes. Wenn Du dennoch eine starke Hemmung spürst, Dein Blut zu sehen, zu berühren oder auch nur darüber zu sprechen und Dich schämst oder Ekel empfindest, dann könnte ein erster Schritt sein, Dich mit den Ursachen von Periodshaming auseinanderzusetzen. Denn damit einhergeht, dass das, was Du fühlst, eigentlich gar nicht zwangsläufig Deine Themen sind, sondern vor allem von Menschen, die Frauen bzw. Menschen mit Gebärmutter verachten. Die Menstruation ist nicht schuld, sie ist eigentlich sogar das Opfer. Mach Dir bewusst: Empfindungen wie Scham, Minderwertigkeit und ein geringer Selbstwert halten Frauen genau dort an Ort und Stelle, wo das Patriarchat sie haben will: leise und gefügig.
Dinge zu tabuisieren und Menschen zu silencen bringt aber mehr Probleme mit sich, als gelöst werden. Die Entstigmatisierung der Periode ist ein wichtiger Schritt in eine Welt ohne Frauenhass und in der alle Gender gleichberechtigt sind. Dementsprechend: Die Menstruation ist absolut politisch und der offene Umgang mit ihr ein Ausdruck des Wandels, wovon wir momentan viel gebrauchen können.
Damit das geschieht, brauchen wir Frauen und Menschen, die mutig sind und offen darüber reden, die sich ganz bewusst gegen das Menstruationstabu entscheiden und so über ihre Blutung reden, wie sie über die Entscheidung reden, was heute zu Abend gegessen wird. Tabubrüche bringen Tabus ans Licht. Und man sollte meinen, dass etwas, was zum Alltag der Hälfte der Menschheit gehört, auch zum gesellschaftlichen Diskurs gehört und nicht tabuisiert, stigmatisiert und mit Scham besetzt wird
Was jede*r von uns ganz konkret gegen Periodshaming tun kann:
Also. Reden, reden, reden und nochmals drüber reden. Nur wenn sowohl Deine Ohren, als auch die Deiner Mitmenschen immer wieder erleben, dass über die Menstruation gesprochen wird, kann sich ein Gefühl der Normalität in Bezug auf dieses Thema einstellen. Frauen, die frei von der Leber weg und ohne Schamgefühle über ihre Tage sprechen, sollten keine Einhörner mehr sein. Und glaub uns, sobald Du Dein Schweigen brichst, wirst Du feststellen, wie die Menschen in Deinem Umfeld es Dir gleich tun. Eine Art Dominoeffekt quasi, der Dir zeigt, dass Du niemals nie alleine bist. Und ja, es wird auch mal unangenehm werden, weil Du auch auf Menschen triffst, die selbst noch viel zu sehr in ihrer Scham gefangen sind. Mach Dir dann bewusst, dass dies nicht an Dir liegt, sondern an ihnen. Wünsche ihnen das Allerbeste und mach Dir einfach bewusst, wofür Du das tust. Denn all die mutigen Menschen, die sich bewusst gegen Periodshaming auflehnen, tragen ihren Teil dazu bei, dass die Frauen und Menschen mit Zyklus nach uns, in einer anderen Realität aufwachsen dürfen.
Konfrontiere Dich selbst mit Deinen Schamgefühlen und nutze, wenn es Dir möglich ist, Menstruationsprodukte, bei denen Du bewusst mit Deinem Blut in Kontakt kommst (z.B. Menstruationsunterwäsche, Menstruationstassen oder Discs). Auch wenn es anfangs ungewohnt ist, Dein Blut zu sehen und auch an den Händen zu haben so wird es mit der Zeit immer einfacher.
Und zu guter Letzt: Transformiere Deine Scham in Dankbarkeit. Etabliere wertschätzende Rituale. Das kann z.B. sein, sich während der Blutungszeit eine Auszeit zu gönnen, das Blut zum düngen Deiner Pflanzen zu nutzen oder auch bewusst in die Natur zu bluten als Gabe an Mutter Erde.
Was sind Deine Erfahrungen mit Periodshaming im Alltag? Hast Du Tipps und Tricks, was wir noch dagegen tun können? Lass uns das gerne in den Kommentaren wissen!
Quellen
Periode ist politisch, Franka Frei
Die Entstehung des Patriarchats, Gerda Lerner
Das geheime Wissen der Frauen , Barbara G. Walker
https://www.ready-for-red.at/start/
Comments